Matthias Philipp Neubronner
Abschrift aus: Journal von und für Deutschland. 5,1/6. 1788
Frankfurt, M.: Hermann, 1788
München, Bayerische Staatsbibliothek – 4 Per. 11-5,1/6
Matthäus Philipp Neubronner*)
Das Journal von und für Deutschland hat es sich von jeher zur Pflicht gemacht, verdienten Deutschen Männern ein kleines Denkmahl zu errichten und ihre Namen auf die Nachwelt zu bringen. Der Mann, von dem ich jetzt hier eine kurze Nachricht geben will, verdient immer, merkwürdigen Deutschen Männern beygezählt zu werden, und interessirt mich um so mehr, da er mein Landsmann ist.
Matthäus Philipp Neubronner. Der als Bürgermeister der Reichsstadt Kempten und als einer der berühmtesten Oberschwäbischen Kaufleute, am 5ten May 1785 gestorben ist, war am 24. November 1714 in der Reichsstadt Ulm geboren. Sein Vater war Johann Conrad Neubronner, Güterbestätter und der Rothgerberzunft Vorgesetzter daselbst, und seine Mutter Maria Elisabetha, geborene Cellarius, eine Predigerstochter. Schon im J. 1719 starb der Vater, und hinterließ der schwangeren Wittwe fünf unerzogne Kinder, die einige Wochen hernach die Familie mit einem Knaben vermehrte. Die Vermögensumstände seiner Eltern waren nicht die besten. Inzwischen hatte seine Mutter das Glück, den Nachfolger ihres Mannes Joh. Marx von Cappoll zum zweyten Manne und Erzieher ihrer unmündigen Kinder zu bekommen, der unserm Neubronner nicht nur eine gute Erziehung angedeihen, sondern ihm auch einen guten Unterricht in Deutschen und Lateinischen Schulen geben ließ. Neubronner lernte so gut, daß man ihn dem Studiren ganz wiedmen wollte, glücklicherweise änderten aber seine Eltern ihren Entschluß, und bestimmten ihn für die Handlung. Im J. 1729 trat er bey Heinrich de Michael Rauschenbach in Schaffhausen in die Lehre, die er 1735 endigte. Ein Mönch aus Nizza, der in Schaffhausen die reformierte Religion angenommen hatte und nun dort als Sprachmeister sich behalf, brachte unserem Neubronner vermittelst des wenigen Lateins, das er verstand, (denn der Expater konnte natürlicherweise kein Wort Deutsch,) die Italienische und Französische Sprache bey. – Im J. 1735 trat er in die Georg von Zollerische Leinwandhandlung zu Memmingen in Condition , in der er sechs Jahre stand. Nun war er Willens, in irgend einer Seestadt Condition zu suchen, da er sich bey seinem Austritt aus der Zollerischen Condition verbindlich machen mußte, vor zwey Jahren in keiner Leinwandhandlung in Schwaben Condition anzunehmen. Aber Gott fügte es anders. Neubronner wollte vor seiner weitern Reise noch seine Verwandten in Ulm besuchen, ward aber 1741 krank, und änderte dort während seiner Krankheit, vermutlich auf Zureden, seinen Entschluß, auf das Ungewisse in die weite Welt zu gehen. Da das Zollerische Haus in Memmingen ihn seiner Verbindlichkeit großmütig entließ, so trat er im Anfang des Jahres 1742 bey Herrn Jacob Fehr in Kempten in Condition, hier diente er mit Ruhm und zur völligen Zufriedenheit seiner Vorgesetzten 8 Jahre als ihm Herr Johann Adam Kesel unter vorteilhaften Bedingungen die Societät in seiner Handlung antrug, und ihn auch bey seinem Absterben zum Erben der Handlung und eines Theils seines Vermögens einsetzte. Durch seinen vortrefflichen Kopf, durch ununterbrochene Thätigkeit, durch viele beschwerliche Reisen in Kriegs- und Friedenszeiten, durch Redlichkeit und gute Behandlung seiner Handlungsfreunden erwarb er sich ein so schönes Vermögen, daß er bey seinem Absterben 368,000 Gulden hinterließ. – Mit Jungfer Regina Rosina Englerin1 von Augsburg erzeugte er 8 Kinder, davon 4 Töchter und 2 Söhne leben, welche letztern die Handlung fortsetzen. Unser Neubronner erlebte 16 Enkel, davon bey seinem Absterben noch 7 lebten. Da ein thätiger Kaufmann gewiß einer der nützlichsten Mitbürger des Staates ist, so denke ich, ein Mann, der nichts im Vermögen hatte, und sich durch seinem Fleiß dennoch einen Reichtum von 368,000 fl. erworben habe, verdiene immer eine kleine Erwähnung in Ihrem Journale. Noch muß ich bemerken, daß unser Neubronner von 1751 an auch verschiedene obrigkeitliche Aemter bekleidet und im J. 1778 die Bürgermeisterwürde erhalten habe. Haid in Augsburg2 hat sein Porträt sehr schön und sehr ähnlich in schwarzer Kunst geliefert.
*) Dieser Aufsatz ist aus einer eigenhändigen Lebensbeschreibung dieses Mannes gezogen.
- Ende der Abschrift -
Fußnoten:
1 Die Ehefrau von Matthias Philipp Neubronner war eine Tochter aus der Ehe von Anna Elisabeth Rauner mit Bernhard Jacob David Engler. Anna Elisabeth Rauner wiederum war eine Cousine 1. Grades der ersten Ehefrau von Johann Adam Kesel Maria Elisabeth von Rauner. Mathias Philipp Neubronner heiratete Regina Rosina Engler am 16.6.1749 in Kempten. In seinem selbst geschriebenen Lebenslauf führte er aus, dass Johann Adam Kesel als sein Compagnon ihm seine Ehefrau zugeführt habe, er also wohl diese Ehe arrangiert hatte um eine verwandschaftliche Basis zu Neubronner aufzubauen und ihn als seinen Haupterben einzusetzen.
2 gemeint ist wohl Johann Elias Haid (1739-1809), ein Kupferstecher
Anna Margaretha Kesel, geb. Hau
Die 2. Ehefrau von Johann Adam Kesel war die Tochter des Künstlers und Malers Hieronymus Hau (1679-1745).
Von ihm stammen ein ovales Altarbild mit der hl. Hildegard für die St. Lorenz Basilika, das heute in der Residenz hängt sowie ein Bild mit dem gekreuzigten Christus in der St. Mang Kirche.
Martin Mathias Kesel (1726-1772)
Martin Mathias ist der zweitälteste von vier Brüdern aus der Ehe von Johann Jacob Kesel mit Catharine Elisabetha Heidenhofer. Sowohl er als auch sein älterer Bruder Johann Jacob ließen verschiedene Söhne auf den Namen Johann Adam taufen.
Johann Jacob hatte 3 Söhne mit diesem Vornamen. Sowohl beim ersten Sohn, geb. 01.12.1752 als auch beim zweiten Sohn, geb. 10.11.1760, waren Johann Adam Kesel und Regina Rosina Neubronner, die Ehefrau von Matthäus Philipp Neubronner, Taufpaten. Beide starben jedoch im Kindesalter vor 1769. Der dritte Knabe dieses Namens starb bereits nach der Geburt. Johann Adam Kesel, dessen Vater Christian und Matthäus Philipp Neubronner waren auch bei andern Kindern von Johann Jacob Kesel Taufpaten.
Beim Sohn des Martin Mathias, geb. 24.12.1756, waren Johannes Föhr und die Ehefrau von Johann Adam Kesel Maria Elisabetha, geb. von Rauner, Taufpaten.
Dies lässt vermuten, dass die Beziehungen zwischen Johann Jacob als dem ältesten Cousin und Johann Adam sehr eng waren und Letzterer, da er selbst kinderlos war, einen Johann Adam als Stammvater seines Kesel-Stammes wollte. Da bei der Erstellung des Testaments somit nur noch der Sohn von Martin Mathias "verfügbar" war, wurde dessen Sohn Johann Adam im Falle dass er einen männlichen Nachkommen hinterlässt zum Stammvater des Kesel-Stammes bestimmt.
Johann Adam Kesel (1756-1811)
Johann Adam Kesel, von Beruf Lederhändler, war zwei mal verheiratet und hatte insgesamt 15 Kinder. Alle Kinder starben jedoch im Kindesalter, so dass er keine männlichen Nachkommen im Sinne des Testamentes hinterließ. Damit wurden seine 3 Onkel Lucas, Johannes und Johann Jacob die testamentarischen Begründer der später bezeichneten Gulden-Kesel. Der Einfachheit wurde deren gemeinsamer Vater Johann Jacob Kesel, obwohl im Testament nicht ausdrücklich erwähnt als Stamm-Vater der 1. Linie angesehen.
Die auf Johannes Kesel zurückgehende männliche Linie erlosch 1877. Heute gibt es nur noch männliche Nachkommen des Johann Jacob und des Lucas Kesel. Eine schematische Darstellung der 1. Linie kann hier als PDF heruntergeladen werden.